Dieses Konzert kam mit Hilfe auch von NOAH zustande.
Bad Vilbeler Kammerorchester Chor zwischenTöne
Orte: Bad-Vilbel-Heilsberg, Frankfurt Preungesheim, Tigran Mansurian´s Requiem in der Bad Vilbeler Heilig-Geist-Kirche
Ein großer Abend steht uns bevor. Die HeiligGeist Kirche in Bad Vilbel Heilsberg füllt sich schon früh, ab halb sechs schon sind kaum noch gute Plätze zu haben. Ich drücke mich, ungünstig für meine Fotos, in die erste Reihe. Ein Pulk von fröhlichen Menschen umringt links hinter mir einen freundlich lächelnden älteren Mann. Es ist Tigran Mansurian, der armenische Komponist des Requiems, das wir heute abend hören wollen, in jedem Fall eine Premiere für unsere Kirche, wenn nicht für Hessen oder Deutschland gar. Langsam kehrt Ruhe ein und nun beginnt das Bad Vilbeler Kammorchester.
Arvo Pärt´s „Orient und Occident“ gibt einen konzentrierten Auftakt. Der strahlende Klaus Albert Bauer am Pult läßt uns die Stimmung und den Gestus des Vorabends zum Ewigkeitssonntag spüren. Der Einstieg in das Werk des in Estland geborenen Komponisten wirkt fast bedrohlich, doch durch den trüben Nebel der Streicher hindurch macht sich bald pure tonale Schönheit breit.
Und das steigert sich wirkungsvoll mit Haydn´s „7 letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz“. Denn trotz der tiefgreifenden Dramatik des Stücks geht die Spielfreude von Bauer und seinem Orchester schnell auf das gebannt lauschende Publikum über.
Und dann ist der Chor dran. Herbert Helfrich´s „zwischenTöne“ füllen die Kirche derart zart mit den Klängen eines „Kyrie“ aus der Messe Es-Dur von Josef Rheinberger, daß ich unwillkürlich die Augen schließe. Froh daß ich hier bin, dabei, heute Abend. Und einen ersten Eindruck davon, wie gut die beiden Bad Vilbler Ensembles zusammenarbeiten und -wirken, bekommen wir dann vor der Pause mit dem „Dona nobis pacem“ vom lettischen Komponisten Peteris Vasks. Chor und Orchester intonieren weihevolle Klarheit.
Und nach der Pause ergreift spontan und locker Bürgermeister Dr. Stöhr das Wort von der Kanzel, umringt von den Chorsängern, als wolle er auch mit einstimmen. Und er spricht uns allen aus der Seele, als er betont, welche Ehre uns Tigran Mansurian erweist, für diese Aufführung den weiten Weg von Armenien genommen zu haben. Und mit Recht lobt er und bedankt sich für die konstante Musikalische Qualität der Konzerte in dieser Gemeinde, die unsere Kirche manchmal zu einem „Opernhaus“ werden lassen…
Doch nun beginnt das Requiem. Es mahnt vom ersten Ton an, den millionenfach gewaltsamen Tod der Armenier im ersten Weltkrieg niemals zu vergessen, und das Andenken an diesen durch die damalige türkische Regierung geplanten und durchgeführten Völkermord und seine verheerenden Folgen für Armenien und die ganze Region hochzuhalten. Schnell, aber zurückhaltend verbinden sich Streicher und Chor zu einer Modernität im Klang, die sich nie aufdrängt. Und sie erinnert alle daran, wie aktuell das Thema von Vertreibung, Tod und Flucht gerade in diesen Tagen bleibt. Aber trotz einer szenisch, ja filmischen Dramatik ruht diese Musik in sich, eindringlich mahnend, harmonisch, abendländisch und im besten Sinne christlich.
Weil sie das Angebot einer Läuterung in sich birgt, die in ihren leisen Tönen eher an Vergebung erinnert, denn an Hass oder Vergeltung. Am Ende dann hat der Chor das letzte Wort. Und er schließt gleichsam mit einem Segen. Dieses Ende des Requiems läßt uns alle einen Moment sprachlos verharren; – bis ein riesiger Applaus losbricht, der alle ehrt, die hier so großartig zusammen musiziert haben. Ein großer Abend sollte es werden, – ein noch größerer wurde es, zumindest ist der Platz in unser aller Herzen für Armenien noch ein bißchen größer geworden. Und die Erinnerung bleibt an ein tief bewegendes Konzert.
Dr. York Fanger