Von Ernst-Ludwig Drayß
Seit 1995 reiste ich regelmässig beruflich nach Armenien. Als Vorstand der Deutschen Asset Management besuchte ich immer wieder unseren Kunden Armenische Zentralbank. Wir managten die Devisenreserven. Die jungen Mitarbeiter der Zentralbank, allen voran Arman Vardanyan, zeigten uns ihr Land und wir waren tief beeindruckt. „Hier war der Ursprung unserer Kultur“. Ich lud Freunde ein, mich zu begleiten. In Lorsch gründete ich mit meinem Bruder Friedel zwischenzeitlich (Ende 1997) das „Kuratorium Weltkulturdenkmal“ und wurde dessen 1. Vorsitzender.
2001 überzeugte ich meine Frau Helga mich nach Armenien zu begleiten. Ebenso mit von der Partie war Hermann Eber-Huber. Zwei Tage vor dem Abflug erhielt ich einen Anruf von Dr. Hermann Schefers, dem Leiter der Welterbestätte Kloster Lorsch. Er berichtete von einer Anregung der UNESCO. Wir sollten uns überlegen, internationale Partner für unser Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch zu finden. Dr. Schefers berichtete von einem Brief der UNESCO. Darin seien auch Länder genannt, in denen man mit einem Weltkulturdenkmal eine Partnerschaft überlegen solle. Die Liste war alphabetisch angeordnet und als Dr. Schefers „Armenien“ nannte, unterbrach ich ihn. „Herrmann, das ist es. Armenien ! Nächste Woche haben wir die Partnerschaft“.
In Eriwan waren wir im Hotel „Armenia“, dem alten „Intourist-Hotel am „Platz der Republik“ untergebracht. Dort waren auch die Ministerien und Regierungsgebäude angeordnet. Ich wusste von früheren Besuchen von dem Felsenkloster Geghard, nicht weit weg von Erwan. Es hatte den „Welterbe-Status“. „Das sollte es doch sein“, dachte ich mir und begab mich mit meinem Reisebegleiter Hermann Eber-Huber ins Außenministerium. Wir trugen unseren Wunsch vor und fragten nach dem zuständigen „UNESCO-Büro“, das heißt nach der zuständigen Stelle für Weltkulturdenkmäler gemäß den Vorgaben der UNESCO. Problemlos kamen wir in das richtige Büro und wurden von dem Sekretär Hambardzum Minasyan empfangen. Wiederum trug ich vor, dass wir hier seien, um eine UNESCO-Partnerschaft mit dem Kloster Geghard zu begründen. Diskutieren wollte ich nicht. Erfahrungsgemäß führen Diskussionen in Armenien zu unendlichen Debatten und Fragen. Also besser keine Fragen stellen sondern nur Antworten geben, war meine Vorgabe. Herr Minasyan nahm unser Anliegen regungslos an, widersprach nicht. Im Gegenteil, noch für den gleichen Nachmittag bat er um ein neues Treffen. Er müsse das noch besprechen.
Am Nachmittag dann eine neue „Verhandlung“, wie offizielle Gespräche dort genannt wurden, in einem anderen Büro, mit einer noch „höheren Stelle“. Die Partnerschaft wurde nicht mehr hinterfragt, allerdings wollte man sie auf die Ruinen von „Zwardnotz“ umfunktionieren. Dort würde mehr Geld gebraucht. „Das kann nur ein Missverständnis sein“, klärte ich auf. Es handele sich um eine Partnerschaft, nicht um eine Förderung. Das wurde denn auch akzeptiert, die Gläser mit Cognac gefüllt und imposante Toasts auf die Völkerfreundschaft, auf die Partnerschaft, auf Deutschland und Armenien ausgebracht.
Auf dem Reiseprogramm standen natürlich vor allem Besuche bei Land und Leuten. Arman Vardanyan von der Zentralbank, mit dem mich inzwischen eine enge Freundschaft verband, organisierte unser Besuchsprogramm sowie ein Auto mit Fahrer von der Zentralbank. Als Reiseleiterin bzw. Übersetzerin war erstmals Nelly Pilliposian dabei. Mit ihr sollte ich fortan alle Armenien-Reisen organisieren und „Nelly“ sollte zu einem Begriff, zu einem Synonym für unvergessliche Reisen werden. Schnell merkte ich, dass man ihr vollständig vertrauen konnte und sie eine grundehrliche Haut war. Das war beileibe in Armenien nicht immer der Fall.
Zurück in Deutschland berichtete ich Hermann Schefers von unseren neuen Partnern. Hermann war das natürlich nicht genug. Das Ganze musste auch inhaltlich ausgefüllt werden. Mir war es recht. Wie so oft sah ich meine Hauptaufgabe als getan an. Das Ganze war angestoßen, das war entscheidend. Hermann Schefers würde das schon in die richtigen Bahnen lenken. Und in der Tat legte dieser gewaltig los. Von Deutschland lud er alle Stellen, die mit dem Kloster Geghard zu tun haben könnten, zu einem großen Treffen in Eriwan an – von dem Ministerium, über die Kirche, Museen, Universitäten etc. Es war unglaublich, aber es funktionierte. Die Armenier organisierten brav eine große Sitzung, zu der Hermann, mein Bruder Friedel und ich wenige Monate später nach Armenien reisten.
Ich weiß nicht mehr, wie viel verschiedene Vertreter zu der „Verhandlung“ erschienen. Dabei war auch ein Professor von einem UNESCO-Lehrstuhl, Prof. Levon Chookazian, der perfekt deutsch sprach und schnell den offiziellen Übersetzer, der kaum etwas zustande brachte, ablöste. Hermann präsentierte das Kloster Lorsch in gewohnt perfekter Manier.Die Armenier diskutierten, wobei sich der Abt Lukas des Kloster Geghard als Widersacher der staatlichen Stellen präsentierte. Worum es ging weiß ich nicht mehr. Aber Lukas sollte sich auch später als eine schwierige Persönlichkeit herausstellen. Das Meeting wurde zu einem großen Palaver, wie befürchtet. Wir kümmerten uns nicht weiter darum, zumal wir einen Schirmherren für die Partnerschaft gefunden hatten. Mein langjähriger Gesprächspartner Tigran Sargsyan, Chairman der Zentralbank, übernahm doie Patenschaft, Tigran wurde später Ministerpräsident.
Beim Besuch des Kloster Geghard hörten wir zufällig den Chor des Klosters. 8 junge Frauen. Wir waren spontan verzaubert, tief beeindruckt. „Den Chor holen wir nach Deutschland“, waren wir uns sofort einig. So etwas hatten wir noch nicht gehört! Tatsächlich schrieb der Reiseführer „Armenien“ von Tessa Hoffmann über diesen Chor „Das Beste was man im Kaukasus hören kann“. Mit dem Geghard-Chor sollte ich dann in den kommenden Jahren viele Tourneen unternehmen, ja, ich sollte sogar „offizielles Chormitglied ehrenhalber“ werden, was mich sehr gefreut hat.
Im Juni 2002 fand in Anwesenheit vieler Politiker, der armenischen Botschafterin Karine Kazinian, des Zentralbank-Präsidenten Tigran Sargsyan und des Geghard-Chores die feierliche Unterzeichnung der Partnerschaft in Lorsch statt.
Bis heute, so sagt die UNESCO, wäre eine derartige Partnerschaft einzigartig. Begleitet wurde der Chor damals von dem neuen Abt des Klosters, Father Nerseh. Auch in Eriwan wurde dann eine „Signing Ceremony“ organisiert. Diese fand in den Räumen der Zentralbank statt. Eine 20köpfige Delegation machte sich auf nach Armenien. Zur Zeremonie war auch das Fernsehen anwesend. Nelly als Dolmetscherin war furchtbar aufgeregt. Sie konnte sich gar nicht beruhigen, sollte sie doch im Fernsehen „auftreten“.
Im Gepäck hatten wir auch die Zusage, eine CD mit dem Geghard- Chor zu produzieren. Die Idee kam bereits nach unserem ersten Besuch auf und die Chormitglieder hatten sogar, auf Anregung von Father Lukas, eine Firma mit Namen „LUYS“ gegründet, um die CD entsprechend vermarkten zu können. Das gefiel allerdings nicht allen. Insbesondere der neue Chorleiter Prof. Mher Navoyan war dagegen. Dazu habe der Chor kein Recht, so sein Argument. Und drei Mitglieder des Chores folgten ihm, während sich fünf junge Mädchen eher der „LUYS“-Idee verpflichtet fühlten
Auszug aus:
Drucksache 16/4035 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
11. Welche internationalen Partnerschaften deutscher UNESCO-Welterbestätten sind der Bundesregierung bekannt, und wie bewertet sie diese?
Die Bundesregierung befürwortet internationale Partnerschaften deutscher UNESCO-Welterbestätten, da sie dem Erfahrungsaustausch dienen und das zivilgesellschaftliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger über Länder- grenzen hinweg stärken.
Besonders hervorzuheben ist die Welterbestätte Kloster Lorsch, die Partnerschaften mit dem Kloster Geghard (Armenien), dem Kloster Haein-sa, Chang- gyong P’ango (Südkorea) sowie mit
dem Kloster Müstair in der Schweiz unterhält.