Geghard Chor im Speyrer Dom und in Bensheim

Botschafterinnen einer sehr alten christlichen Kultur

Chor des armenischen Klosters Geghard singt geistliche Musik seiner Heimat vor mehr als 900 Zuschauern im voll besetzten Speyerer Dom

Von Andrea Dölle

Großer Andrang am Mittwochabend im Speyerer Dom: Geschätzt mehr als 900 Zuhörer haben ein Konzert verfolgt, das der Frauenchor des armenischen Klosters Geghard mit geistlicher Musik gegeben hat. Aus der schon 45 Minuten vor Konzertbeginn überfüllten Krypta zog das Publikum ins Langhaus um. Auch dort gab es für viele nur noch Stehplätze.
Das Kloster Geghard aus dem 5. Jahrhundert – der heutige Bau stammt von 1215 – unterhält eine Partnerschaft mit dem Kloster Lorsch. So kommen die acht jungen Sängerinnen unter der Leitung ihrer Dirigentin Anahit Papayan, die den Chor 2001 gegründet hat, öfter in die Region. Regelmäßig unternimmt das Ensemble internationale Konzertreisen. Seine Hauptaufgabe ist allerdings, die sehr alte sakrale Musik der armenischen apostolischen Kirche lebendig zu erhalten. Jeden Sonntag gestaltet der Chor den Gottesdienst im Kloster.
Trotz der damaligen Eingliederung Armeniens in die Sowjetunion sind 90 Prozent der Bevölkerung christlich geblieben. Schon 301, so heißt es, soll das Christentum in Armenien Staatsreligion geworden sein. So gehen die Texte vieler Gesänge noch auf die Spätantike zurück, andere sind mittelalterlich. Die getragenen Melodien liegen zwar in einem anderen Tonsystem, haben aber eine Wirkung ähnlich wie die lateinische Gregorianik.
Zumindest ein Teil davon wurde offenbar vorsichtig und respektvoll bearbeitet, um die Musik heutigen Hörgewohnheiten zugänglicher zu machen. Die stärkere Betonung der Mehrstimmigkeit bis hin zu getrennter Melodieführung der hohen und tiefen Stimmen war sicher zur Entstehungszeit der Hymnen in Armenien ebenso wenig üblich wie in der sakralen Musik des europäischen Mittelalters.
Aus dem Gesamtklang trat manchmal eine Solostimme hervor. Die Verzierungen der Melodien erinnerten teilweise an Kompositionen der Hildegard von Bingen. Gelegentlich wurde die Rhythmik lebhaft – auch das vielleicht eine spätere Bearbeitung im Stil von Volksliedern. Auffallend war eine häufige Bass- oder Bordunlinie – so tief, dass man sich scheut, die Stimmlage als „Alt“ zu bezeichnen. Daneben gab es aber auch Gesänge mit einer Sopran-Oberlinie.
Beides kam sehr effektvoll der Akustik des Domes entgegen. Die Sängerinnen, auch die ungemein klangschönen Solistinnen, füllten den Dom mühelos, ohne laut zu wirken. Auch in der letzten Bank war der Ton noch ebenso klar und voll wie direkt unterhalb des Altars. 18 Gesänge quer durchs Kirchenjahr nannte das Programm – manche mehrteilig und oft so kurz, dass der sehr reichlich gespendete Beifall kaum kürzer als der Hymnus selbst war .

Quelle: Die Rheinpfalz – Speyerer Rundschau – Nr. 181,  5. August 2016

Die Sängerinnen des armenischen Felsenklosters begeisterten bei ihrem Auftritt in Bensheim

Tosender Applaus für den Geghard-Chor in Sankt Georg

Jeanette Spielmann

Die acht Sängerinnen des Chores von Kloster Geghard in Armenien beeindruckten auch das Publikum in Bensheim mit der enormen Klangfülle ihrer Stimmen.
Bergstraße. Am vergangenen Sonntag hatten sie im Rahmen der Salzburger Festspiele die Kollegienkirche „zum Klangdom für einen Reigen armenischer Gesänge, Hymnen, Psalmen, Liturgien und Lieder“ gemacht und am Donnerstagabend gaben sie der Bensheimer Stadtkirche St. Georg eine ganz besondere Atmosphäre: Was die acht jungen Damen des armenischen Geghard-Chores mit ihrem einstündigen Konzert auslösten, reichte von „Gänsehaut“ bis zur totalen Begeisterung und Bewunderung. Mit tosendem Applaus bedankte sich das Publikum in der übervollen Pfarrkirche für ein Musikererlebnis der besonderen Art und erklatschte sich zwei Zugaben.

Mit einer enormen vokalen Klangfülle füllten sie – wie am Vorabend auch den Dom in Speyer – den Kirchenraum von St. Georg. Hätte man die acht Sängerinnen im Altarraum nicht gesehen, wäre vermutlich jeder Zuhörer von wesentlich mehr Stimmen ausgegangen.
Das Gastspiel des Geghard-Ensembles in St. Georg war das Abschlusskonzert einer bejubelten Tournee, die in Wien begonnen und ihren Höhepunkt am vergangenen Sonntag in Salzburg hatte. Die armenischen Sängerinnen waren im Rahmen der Salzburger Festspiele Teil der Konzertreihe „Ouverture Spirituelle“, die in diesem Jahr die Chormusik der Ostkirche zum Thema hatte.
Die Tournee des Geghard-Ensembles ist ein Projekt von NOAH, einem gemeinnützigen Verein zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Armenien und Deutschland mit Sitz in Heppenheim. Ansprechpartner vor Ort ist der Bensheimer Ernst-Ludwig Drayß, früherer Vorsitzender des Kuratoriums Kloster Lorsch.
Hier schließt sich der Kreis: Denn seit Jahren pflegen die beiden Weltkulturdenkmäler Kloster Lorsch und Kloster Geghard in Armenien eine Unesco-Kulturpartnerschaft, die von NOAH betreut wird. Dazu gehört auch die Förderung des 2001 gegründeten Geghard-Ensembles, dem Chor des Felsenklosters Geghard, in dem das Ensemble jeden Sonntag die Liturgie begleitet.
Vor dem Konzert in St. Georg hatte Ernst-Ludwig Drayß kurze einführende Worte gesprochen. Es sei eine anstrengende Tournee gewesen und leider könne man sich den armenischen Gesang auch nicht mit nach Hause nehmen, da die CD ausverkauft sei. Über die Homepage des Vereins (www.noah-arts.de) könne sie aber bestellt beziehungsweise ein Kontakt hergestellt werden.
Vor dem Hintergrund des 25-jährigen Jubiläums – das Kloster Lorsch wurde 1991 in die Liste der Unesco-Welterbe aufgenommen – war der Geghard-Chor am Donnerstag auch zu einem Empfang mit spontanem Mini-Konzert in Lorsch gekommen (wir berichteten) und begeisterte auch im Nibelungensaal die Gäste. Es war bereits der siebte Besuch in Lorsch, wobei das Konzert im April 2014 zur 1250-Jahr-Feier der Stadt Lorsch noch in guter Erinnerung sein wird.
Auch in Bensheim waren die armenischen Sängerinnen am Donnerstag nicht zum ersten Mal. Im Oktober 2012 eroberten sie das Bergsträßer Publikum mit ihrem Konzert im Parktheater. Anlass war das zehnjährige Bestehen der Partnerschaft zwischen den beiden Welterbestätten Kloster Lorsch und Kloster Geghard. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass die Bergsträßer sich auch von Regen nicht abhalten lassen, ein Konzert des Chores in St. Georg zu besuchen und zum Teil auch im Stehen zu verfolgen, da alle verfügbaren Sitzplätze besetzt waren.

Bergsträßer Anzeiger 6. August 2016